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In Deutschland gibt es eine zunehmende Anzahl von Personen, die keine Ausbildung haben


Der Anteil der jungen Erwachsenen mit höherem Bildungsabschluss ist gesunken. Vor allem die Zahl der Berufsausbildungen geht zurück.

Junge Mensche mit orangenen Anzügen hantieren mit Elektrospulen

Auszubildende im Elektrobereich im Berufsbildungszentrum des Stahlproduzenten ArcelorMittal Foto: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Weniger junge Menschen in Deutschland machen Abitur oder einen vergleichbaren Abschluss wie etwa eine Berufsausbildung. Hatten 2015 nur 13 Prozent der 25- bis 34-Jährigen keinen Abschluss im Sekundarbereich II, waren es vergangenes Jahr 16 Prozent. Das teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem jährlichen Bildungsbericht „Bildung auf einen Blick“ mit.

Der Trend in Deutschland läuft der Entwicklung in den anderen OECD-Staaten entgegen. Im Schnitt stieg der Anteil der Menschen, die einen Abschluss in der Sekundarstufe II machen, von 82 auf 86 Prozent. Länder wie Mexiko, Portugal und die Türkei verzeichneten sogar einen Anstieg um mehr als 10 Prozentpunkte. Nur in Tschechien sank die Zahl der jungen Menschen ohne solchen Abschluss ebenfalls um einen Prozentpunkt.

Dabei investiert Deutschland umgerechnet rund 14.700 Euro pro Person in die Bildung und liegt damit fast 3.000 Euro über dem OECD-Durchschnitt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Ausgaben mit 4,6 Prozent aber etwa 0,5 Punkte niedriger als der Schnitt in der OECD. Besonders in Grundschulen und in der Primarstufe fehlt es an Geld.

Bundesregierung will Schulen gezielt fördern

Der Staatssekretär im Bildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), äußerte sich auf einer Pressekonferenz des OECD Berlin Centre besorgt. „16 Prozent – das sind fast 1,7 Millionen junge Erwachsene, die nicht als dringend benötigte Fachkräfte zur Verfügung stehen“, sagte er.

Die Bundesregierung plant deshalb das sogenannte Startchancen-Programm: Etwa 4.000 Schulen mit Schü­le­r*in­nen aus prekären Familienverhältnissen sollen ab 2024 zehn Jahre lang Geld erhalten. Die Förderung richtet sich besonders an Grundschulen.

Eines der größten Probleme kann das geplante Startchancen-Programm aber nicht lösen: den Lehrkräftemangel. Laut der Leiterin des OECD Berlin Centre, Nicola Brandt, lässt sich der Rückgang an Abschlüssen in Deutschland auch auf fehlendes Personal zurückführen – ebenso wie auf die hohen Einwanderungszahlen. „Das Ergebnis zeigt, dass hier wirklich politisches Handeln erfordert ist.“

Weniger junge Menschen lassen sich ausbilden

Obgleich Fachkräfte hierzulande fehlen, absolvieren auch immer weniger junge Menschen eine Berufsausbildung. Waren es 2015 noch 51 Prozent, so sank der Wert vergangenes Jahr auf 38 Prozent – ein Minus von 13 Prozentpunkten. Kein anderes OECD-Industrieland verzeichnet einen solchen Rückgang.

Holger Schwannecke, der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), verwies auf einen Mangel in seinem Metier: „Im Handwerk gibt es aktuell noch über 31.000 offene Ausbildungsplätze, das sind tausendfach ungenutzte Bildungs- und Karrierechancen für junge Menschen.“ Auch er sieht die Politik in Bund und Ländern in der Pflicht, die berufliche Ausbildung zu stärken. Sie müsse bei der Berufsorientierung an Gymnasien stärker berücksichtigt werden.

Diese Unwucht führt dazu, dass die Ausgebildeten rasch Arbeit finden. Innerhalb von zwei Jahren haben 94 Prozent einen Job – nur Island steht unter den OECD-Ländern noch besser da. Die Ausgebildeten in Deutschland verdienen im Schnitt zwei Drittel mehr als Menschen mit niedrigerem Bildungsstand.

Statt einer Berufsausbildung nachzugehen, entscheiden sich junge Erwachsene in Deutschland vermehrt für den sogenannten tertiären Bildungsweg – also Abschlüsse an Hochschulen sowie Meister-, Techniker- oder Fachschulabschlüsse. Etwa 37 Prozent der 25- bis 34-Jährigen konnten im vergangenen Jahr einen solchen vorweisen. 2015 waren es nur 30 Prozent.

OECD will Ausbildung attraktiver machen

OECD-Generalsekretär Mathias Cormann macht sich in dem Bericht deshalb für eine Stärkung der Berufsausbildung stark. In vielen Ländern gelte dieser Bildungsweg „immer noch als letzter Ausweg“ und nicht als erste Wahl, „die attraktive berufliche Laufbahnen eröffnet“.

Cormann zufolge sollte daher die Industrie stärker in die Berufsausbildung eingebunden werden. Arbeitgeber könnten Lehrpläne validieren, um sicherzustellen, dass die Inhalte der Ausbildung für die späteren Anforderungen am Arbeitsmarkt relevant bleiben. Ferner sollten junge Menschen ermutigt werden, schon früh mögliche Arbeitsplätze zu besuchen und sich mit Beschäftigten auszutauschen, um einen besseren Überblick über verschiedene Berufswege zu bekommen.

Hinweis: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels stand, es gebe immer weniger Menschen mit Abitur. Das ist falsch. Laut OECD ist der Anteil von Menschen, die weder Abitur noch eine Berufsausbildung haben, gestiegen. Der Anteil der AbiturientInnen liegt laut Statistischem Bundesamt seit gut zehn Jahren recht stabil bei rund 34 Prozent. Wir haben den Artikel entsprechend geändert. d.Red.

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Author: Stephanie Mitchell

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